Progressive Muskelentspannung als Entspannungsverfahren in der psychotherapeutischen Anwendung

Die progressive Muskelentspannung oder auch progressive Muskelrelaxation/PMR ist eine Entspannungstechnik, die von dem US-amerikanischen Arzt Edmund Jacobson in den 1920er Jahren entwickelt wurde. PMR beinhaltet ein angeleitetes Verfahren zur gezielten Anspannung und Entspannung verschiedener Muskelgruppen und Körperpartien.

Durch dieses Verfahren soll die Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper gestärkt und das Zusammenspiel zwischen Körper, Geist und Seele in Einklang gebracht werden. Das funktioniert durch positives Einwirken auf unseren Sympathikustonus.

Der Sympathikustonus

Als Sympathikustonus wird der Erregungszustand des sympathischen Nervensystems bezeichnet. Je nach Situation ist dieser Tonus erhöht oder geringer. Bei Stress oder Gefahr kommt es zu einem hohen Sympathikustonus. Der Blutdruck steigt an, das Herz schlägt schneller, die Darmtätigkeit stellt sich ein.

Gut bei tatsächlicher Gefahr und einer notwendigen Flucht. Mittlerweile befindet sich durch unseren Lebenswandel unser Körper wesentlich öfter in diesem Modus, als die Natur es ursprünglich vorgesehen hat. Die Folgen: chronisch hoher Blutdruck, chronische Verstopfung oder Herzerkrankungen.

Naturgemäß soll der Stresszustand durch den Gegenspieler, den Parasympathikus, durch Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin wieder abgemildert werden. Der dauerhaft hohe Sympathikustonus ist jedoch alles andere als naturgemäß und somit vom vergleichsweise geringem Parasympathikustonus nicht zu bewältigen.

Die Folge: Der Körper ist im Ungleichgewicht und durch den Dauerstress in seinen Funktionen gestört.

Die physiologische Wirkung von progressiver Muskelentspannung

Im Zuge einer PMR-Session tritt der Effekt der Entspannung von Muskelgruppe zu Muskelgruppe ein. Darauf folgen weitere Prozesse der Entspannung im gesamten Körper. Unter anderem sinken der Blutdruck und der Pulsschlag und die Atmung wird ruhiger.

Weitere körperliche / physiologische Effekte des Entspannungszustandes

  • Verringerung von Schmerzzuständen
  • Reduzierung der Muskelspannung
  • Förderung der Durchblutung / Linderung muskulärer Durchblutungsstörungen
  • Kräftigung der Muskulatur
  • Entspannung der Haltemuskeln
  • Abnahme des Muskeltonus (auch nach intensivem Training)
  • Erweiterung der peripheren Blutgefäße
  • Reduktion der Herzfrequenz
  • Regulierung der hirnelektrischen Aktivität
  • Abbau von Spannungskopfschmerz
  • Mindern eines Tinnitus

Die psychologische Wirkung von progressiver Muskelentspannung

Ein entspannter und gut funktionierender Körper ist eine gute Grundlage für einen gesunden Geist. So hat PMR nicht nur Auswirkungen auf das körperliche Befinden, sondern auch auf die Seele.

Positive Effekte sind vor Allem der Abbau von Stress. Daraus entstehen folgende Domino-Effekte:

  • Erhöhung der Leistungsfähigkeit
  • Steigerung der Vitalität
  • Optimierung des Energiehaushaltes
  • Psychohygiene
  • Stabilisierung des Immunsystems

Anwendung in der Psychotherapie

Dauernde Erreichbarkeit, Druck am Arbeitsplatz, immer mehr und höhere Erwartungen an uns selbst. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Psyche. Viele psychosomatische Beschwerden sind auf Stress zurückzuführen.

Aus diesem Grund hat sich die progressive Muskelentspannung in der psychotherapeutischen Praxis bestens bewährt. PMR hat eine hohe Akzeptanz bei den Patienten und lässt sich mit etwas Übung leicht selbständig im Alltag einsetzen.

In der Psychotherapie wird progressive Muskelentspannung häufig zur Unterstützung bei folgenden Behandlungen herangezogen:

  • Lösung von Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten
  • Überwindung von Ängsten
  • Angst- und Panikattacken lindern oder auflösen
  • Prüfungsangst überwinden
  • Konzentrationsfähigkeit verbessern
  • Phobien bekämpfen
  • Nervosität lindern
  • Innere Unruhe beseitigen
  • Erhöhung der Stressresistenz
  • Verminderung der Empfindlichkeit für äußere Reize und Stressoren

Wie wird PMR ausgeführt? – Therapiemethode in der praktischen Anwendung

In der Regel besteht ein Durchgang der Anspannungsübungen und Entspannungsübungen pro Körperpartie aus 4 Phasen.

Phase 1 – Spannungsaufbau
Die Teilnehmer nehmen eine entspannte Grundposition, in der Regel die Liegeposition, ein. Anschließend beginnt man mit der Muskelaktivierung, also der Anspannung, einer Hand.

Phase 2 – Wahrnehmung
Die geballte Faust wird für rund 5 – 15 Sekunden gehalten. Dabei sind die Teilnehmenden mit Ihrem gesamten Bewusstsein voll und ganz bei diesem körperlichen Vorgang. Der Anleitende unterstützt die Teilnehmenden in dieser Phase, den jeweiligen Muskel bewusst wahrzunehmen.

Phase 3 – Loslassen
In dieser Phase gibt der Anleitende das Signal, die Spannung plötzlich loszulassen. Dies ist ein besonders wichtiger Teil, denn je schneller das Loslassen bzw. Entspannen erfolgt, desto stärker ist das Erleben des Kontrasts von Anspannung und Entspannung.

Phase 4 – Beobachten
In der Abschließenden Phase werden die Teilnehmenden durch den Anleitenden auf das Nachspüren der vorgenommenen Übung fokussiert.

Während Anfangs die Teilnehmer noch unter Anleitung (persönlich, online oder via Audio) längere Einheiten von ca. 30 Minuten zur Vertiefung der Technik absolvieren, können Geübte auch in kürzerer Zeit in die Entspannung kommen und benötigen nicht unbedingt eine Anleitung. Manchen reicht Musik oder auch völlige Stille, um im Alltag zu entspannen.

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