Krankhafter Narzissmus oder Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft?

In einer durch Leistungsstreben geprägten Gesellschaft, kann ein extremes Maß an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten eine Kernkompetenz darstellen, die einem einen schnellen Aufstieg in leitende Funktionen erlaubt.

Da die Grenze zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und einer Persönlichkeitsstörung fließend ist, stellt sich an diesem Punkt die Frage, was die Unterscheidungsmerkmale sind, die eine Abgrenzung der beiden Phänomene voneinander erlauben.

Persönlichkeitsstörung

Üblicherweise wird eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, wenn der Betroffene auf Grund eines erhöhten Leidensdrucks einen Arzt/Psychiater aufsucht und sich zum Beispiel auf dessen Empfehlung hin in therapeutische Behandlung begibt.

Erfahrungsgemäß ist die Krankheitseinsicht aber gerade im Rahmen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) nicht ausreichend ausgeprägt, so dass hier nicht immer eine erfolgversprechende Intervention erfolgen kann. Der Betroffene wird zunächst davon ausgehen, dass das „Problem“ in keinerlei Weise mit ihm/ihr zusammenhängt.

Der zwanghafte Wunsch nach Anerkennung

Eine NPS äußert sich als eine dysfunktionale Selbstwertregulation und ist durch drei Haupteigenschaften gekennzeichnet: zu einem Mangel an Empathie und dem Interesse am Gegenüber gesellen sich ein übertriebenes Verlangen nach Anerkennung und eine Art Größenwahn, in Form einer realitätsfernen Überschätzung der eigenen Fähigkeiten.

Da Menschen mit krankhaftem Narzissmus wie aus einem Zwang heraus dazu neigen insbesondere ihnen nahe stehende Personen (etwa den Lebensgefährten/ die Lebensgefährtin) andauernd abzuwerten und sie damit emotional missbrauchen, ist es entscheidend, die pathologischen Varianten dieser Persönlichkeitsstruktur von den „gesunden“ Varianten unterscheiden zu können.

Auch hier kann man nicht leugnen, dass es ja so etwas wie einen guten Größenwahn gibt, der beispielsweise Managern erlaubt, die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit immer wieder auszutesten und die sich gerade durchsetzen können, weil sie sich um die Befindlichkeiten ihrer Mitbewerber oder Mitarbeiter eher wenige Gedanken machen. Hier ist man also einerseits mit einer ethisch-gesellschaftlichen Frage konfrontiert, andererseits mit einer Kernfrage der Psychologie oder Psychotherapie.

Persönlichkeitsmerkmale und Persönlichkeitsstörungen

Die Frage der Unterscheidungsmerkmale gilt auch für weitere Persönlichkeitsmerkmale, bei denen die Abgrenzung von gesund zu ungesund nicht immer eindeutig zu treffen ist. Bei leichten Formen der sogenannten schizotypen Persönlichkeit zeigen sich beispielsweise Vorteile in der Generierung von Ideen und der Kreativität.

In der starken Ausprägung als „Persönlichkeitsstörung“ kann es jedoch zu einem hohen Leidensdruck kommen, da die Betroffenen dann die soziale Anbindung an die Gesellschaft vollkommen verlieren können und Ihnen auf Grund eines tiefen Misstrauens und einer ausgeprägten Sensibilität die Möglichkeit einer zufriedenstellenden Lebensführung genommen wird.

Ein Mensch mit einer NPS wird es durch seine selbstbewusste Art immer wieder schaffen, andere Menschen für sich zu gewinnen, gerade die engen Beziehungen gehen aber in die Brüche. Der Leidensdruck beim Narzissmus mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Betroffenen aus Selbstüberschätzung oft sehr riskante Deals eingehen, so dass sie irgendwann möglicherweise die finanzielle Not in eine Behandlung führt.

Für wen sind die Unterscheidungsmerkmale wichtig

Grundsätzlich ist Abgrenzung der NPS von einem gesunden Narzissmus keine Unterscheidung, die ein Psychotherapeut vornehmen wird (außer wenn es in den forensischen Bereich geht), sondern eher eine Forschungsfrage. In der psychotherapeutischen Praxis begegnet der Behandler einer Person, die auf Grund einer Leidensgeschichte nach Hilfe sucht.

Im Folgenden kann der Therapeut beispielsweise herausfinden, dass eine dysfunktionale Selbstwertregulation vorliegt und die Behandlung entsprechend anpassen. Mit den passenden Interventionen kann die Situation des Betroffenen und der Umgang mit den Symptomen deutlich verbessert werden, auch wenn eine Persönlichkeitsstörung grundsätzlich nicht heilbar ist.

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